(Frühe) Neuzeit
Handschriftenbestand im Überblick
Der Großteil des Handschriftenbestandes der Bayerischen Staatsbibliothek – gut 80 Prozent – entstammt der Neuzeit, also der Zeit ab ca. 1525. Hierunter finden sich Autographen berühmter Theologen und Humanisten wie Martin Luther (z. B. Cgm 4101) und Philipp Melanchthon, die vor allem als Teil der Sammlung Camerarius (Collectio Camerariana, Clm 10351 – 10431) Eingang in die Bibliothek gefunden haben. Diese und andere teilweise bis ins 15. und 16. Jahrhundert zurück reichende Nachlässe, die entweder bereits Teil des Gründungsbestands der Bibliothek waren oder zumindest wenige Jahrzehnte nach 1558 erworben wurden, bilden einen quantitativen wie qualitativen Schwerpunkt der neuzeitlichen Handschriften. Daneben wurden einige Prachtcodices extra für die Hofbibliothek hergestellt, so zum Beispiel die Bußpsalmen Orlando di Lassos (Mus.ms. A I und Mus.ms. A II) sowie die Motetten des Cipriano di Rore (Mus.ms. B).
Martin Luther: Ermanunge zum fride (Cgm 4101)
Philipp Melanchthon: Epistolae ad diversos (Clm 10356(1 und Clm 10356(2)
Orlando di Lassos Bußpsalmen (Mus.ms. A I(1 und Mus.ms. A II(1)
Cipriano de Rore: Motetten (Mus.ms. B)
Ein weiterer Überlieferungszweig ist – wie bei den mittelalterlichen Handschriften bzw. den frühneuzeitlichen Drucken auch – der ehemals klösterliche Bestand an liturgischen Handschriften (Missalien, Gradualien, Antiphonare etc.) und wissenschaftlichen Texten, der im Zuge der Säkularisation 1802/1803 nach München in die damalige Hofbibliothek gekommen ist und Zeugnis von dem reichen spirituellen, kulturellen und wissenschaftlichem Leben in den bayerischen Klöstern am Ende des 18. Jahrhunderts ablegt.
Insgesamt ist der Bestand an Textzeugnissen für das Geistesleben Bayerns gerade aus dieser Zeit enorm und umfasst u. a. Adelsgenealogien (wie die „Sammlung Prey“) und – insbesondere mit Beginn des 19. Jahrhunderts – archivalisches Schriftgut wie die Montgelas-Statistik (Cgm 6844 – 6862 c) bzw. die sogenannten Physikatsberichte (Cgm 6874(1 – 207).
Sammlung Prey (Cgm 2290)
Montgelas-Statistik: Regenkreis 1811/12 (Cgm 6844(12)
Medizinisch-topographische und ethnographische Beschreibung der Physikatsbezirke Bayerns. Band 194: Weiler (Cgm 6874(194)
Im Bereich der neuzeitlichen Handschriften tätigt die Bayerische Staatsbibliothek nach wie vor Neuerwerbungen, um ihren reichhaltigen Bestand um interessante Stücke zur Geschichte, Kultur und Literatur Bayerns sowie in allen bereits in der Sammlung vertretenen Sprachen zu ergänzen.
Musik-Handschriften
Auch der Bereich der Musik erfuhr an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit eine signifikante Veränderung von der einstimmigen (mit Neumen notierten) hin zur mehrstimmigen Musik. Zugleich erfolgte eine Abwendung von der allein liturgischen, also von der im Gottesdienst Verwendung findenden Musik hin zur weltlichen Musik, was sich auch in der großen Anzahl an neuzeitlichen Musik-Handschriften (Chor- und Choralbücher, Partituren etc.) widerspiegelt.
Nachlässe
Ein besonderer Sammlungsschwerpunkt in diesem Zeitsegment sind auch die bereits erwähnten, inzwischen gut 1 100 Nachlässe, von denen etwa 200 Nachlässe aus dem 15. bis 18. Jahrhundert stammen. Ein eigenes Nachlassfach wurde 1829 von Johann Andreas Schmeller eingerichtet, seit den 1970er Jahren hat sich die Sammlung verdoppelt. Hierin finden sich bedeutende Personen des öffentlichen Lebens, Gelehrte und Künstler Münchens und Bayerns aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Etwa ein Achtel des Bestandes stammt aus den Bereichen der Naturwissenschaften, Mathematik, Medizin und Architektur. Auch rund 150 Schriftstellernachlässe gehören dazu. Ähnlich umfangreich sind Musikschaffende (z. B. Richard Wagner) und Musikwissenschaftler mit ihren Quellen vertreten, wobei eventuell dazugehörige Notenmaterialien in der Musikabteilung aufbewahrt werden.
Nobelpreisurkunde von Paul Heyse (Heyse-Archiv V.105)
Richard Wagner: Prosaentwurf der Operndichtung „Die hohe Braut“ (Cgm 9366 a)
Richard Wagner: 127 Briefe und 1 Karte an Mathilde Maier (Cgm 8839)
Den Nachlässen hinzuzurechnen sind auch etwa 36 000 Autographen, also Einzelschriftstücke namentlich bekannter Personen (Briefe, Postkarten etc.) – eine Sammlung, innerhalb derer für die bedeutendsten und wertvollsten Stücke das Fach der Cimelien-Autographen (Autogr.Cim.) eingerichtet worden ist.
Brief König Ludwigs II. an Hofrat Lorenz von Düfflipp, 30. Juli 1870 (Autogr.Cim. Ludwig <Bayern, König, II.>.8)