Tibetisch

Im Überblick

Die tibetische Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek umfasst etwa 1 500 Handschriften und Blockdrucke mit Textzeugen sämtlicher Literaturgattungen sowie eine stetig wachsende Zahl von mehr als 10 000 gedruckten Bänden originalschriftlicher Literatur in modernen Ausgaben aus Tibet, der Volksrepublik China und Indien.

Inhaltliche Schwerpunkte

Inhaltliche Sammlungsschwerpunkte sind die geisteswissenschaftlichen Fächer Philosophie, Religion, Geschichte, Archäologie, Sprach- und Literaturwissenschaft, Medizin, Volkskunde, Architektur und Kunst sowie klassische Texteditionen. Die Sekundärliteratur zu Tibet und zur Tibetologie in westeuropäischen Sprachen wird in breiter Auswahl gesammelt.

Handschriften und seltene Blockdrucke

Die Orient- und Asienabteilung betreut die tibetischen Handschriften fachlich (Ankauf, Fachinformation, Führungen, Ausstellungen), während die Abteilung Handschriften und Alte Drucke diese verwaltet und für ihre Benutzung zuständig ist. Die tibetischen Handschriften und seltenen Blockdrucke sind im Lesesaal Handschriften und Alte Drucke zu benützen.

In der Gegenwart sind die bestimmenden Faktoren der Erwerbungspolitik für tibetische Handschriften und seltene Blockdrucke die wissenschaftliche Relevanz von Texten und der ästhetisch-museale Aspekt.

Handschriftenkataloge

Ab Erwerbungsjahr 2009 sind Neuerwerbungen unter der Signatur Cod.tibet. in BSB DISCOVER! zu finden. Digitalisate tibetischer Handschriften können in BSB DISCOVER! oder in den Digitalen Sammlungen recherchiert werden.

► BSB DISCOVER!  

► Digitale Sammlungen

Literatur zu einzelnen Handschriften finden Sie in der „Forschungsdokumentation Handschriften“.

► Forschungsdokumentation Handschriften

Geschichte

Die Anfänge der Sammlung gehen zurück auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der tibetische Sprach- und Kulturraum erstmals in den Blickwinkel bayerischer Forschungsreisender und Gelehrter rückte, lange bevor sich das akademische Studium der tibetischen Philologie (Tibetologie) als eigenständige Disziplin im Curriculum der deutschen Universitäten niederschlug.

Aus der Sammlung der Brüder Schlagintweit

Die Münchner Brüder Hermann, Adolf und Robert Schlagintweit waren in den Jahren 1854 bis 1857 von Indien kommend durch den Himalayaraum bis nach Tibet vorgedrungen und hatten eine reichhaltige Sammlung tibetischer Texte zusammengetragen. Der jüngste, in der Heimat verbliebene Bruder Emil Schlagintweit (1835 – 1904), bayerischer Bezirksamtmann und Privatgelehrter, der 1875 bereits Beschreibungen dreier tibetischer Handschriftenkonvolute (später aufgestellt als Cod.tibet. 1 bis 5) aus dem Besitz der damaligen königlichen Hof- und Staatsbibliothek verfasst hatte, erstellte zu Beginn der 1880er Jahre einen Verkaufsprospekt mit Titelverzeichnis und bot die mehr als 100 Tibetica umfassende Sammlung seiner Brüder zum Verkauf. Vermutlich aus finanziellen Gründen ließ sich der Ankauf seitens der Hof- und Staatsbibliothek nicht realisieren und die Sammlung fand ihre neue Heimstatt an der Bodleian Library in Oxford. Lediglich über Emils Nachlass, der zusammen mit dem literarischen Nachlass seiner Brüder (Ankauf 1888; BSB Schlagintweitiana) umfangreiche Einblicke in die Asienreise der Schlagintweits bietet, gelangte eine geringe Zahl von Einzelstücken (Cod.tibet. 106 bis 108) schließlich in die Bibliothek.
Schlagintweitiana

Nachlass des Indologen Albert Grünwedel

Auch über den Nachlass des 1879 an der Münchner Universität promovierten Indologen Albert Grünwedel (1856 – 1935, BSB Grünwedeliana), Initiator der ersten deutschen Turfan-Expedition (1902 – 1903) und von 1904 bis 1921 Direktor der indischen Abteilung des Museums für Völkerkunde in Berlin, fand eine tibetische Handschrift zur Biographie des Nāropa (Cod.tibet. 13) Eingang in die Sammlung und bildet zusammen mit den Einzelstücken früherer Zeit den Ausgangspunkt für die späteren systematischen Sammlungsaktivitäten.
Grünwedeliana

Aus der Deutschen Tibet-Expedition Ernst Schäfer

Ein Teil der im Bestand befindlichen im traditionellen Blockdruckverfahren hergestellten Xylographen (darunter ein Exemplar des Lhasa-Kanjur aus der Zhol-Druckerei am Fuße des Potala, 2 L.tibet. 1 ), Briefe und Urkunden sowie diverse Artefakte der Schreibkultur gelangten im Anschluss an die von Ernst Schäfer (1910 – 1992) geführte Deutsche Tibet-Expedition, die 1939 die tibetische Hauptstadt Lhasa erreichte, in den Bestand.

Originalabzüge von Blöcken westtibetischer Provenienz

Weitere Originalabzüge von Blöcken westtibetischer Provenienz, die in den 1930er und 1940er Jahren in Ladakh gesammelt worden waren, konnten 1985 von Friedrich A. Peter (1904 – 1988), dessen Vater als Missionar der Herrnhuter Brüdergemeine in Ladakh tätig war, erworben werden (darunter etwa ein kunstfertig illustrierter Druck des Vaiḍūrya dkar po („weißer Beryll“), dem umfangreichen Werk zur tibetischen Kalenderrechnung und Astronomie des Sde-srid Sangs-rgyas-rgya-mtsho (1653 – 1705, 2 L.tibet. 4 y)).

Aus der Sammlung des Missionars und Tibetologen August Hermann Francke

Den Aktivitäten der Herrnhuter Missionare verdankt die Bibliothek auch eine Vielzahl von lithographischen Drucken in tibetischer Sprache (Cod.tibet. 82 – 102), die überwiegend in der Missionsdruckerei in Kyelang im nordindischen Distrikt Lahaul und Spiti hergestellt worden waren und aus der Sammlung des Missionars und Tibetologen August Hermann Francke (1870 – 1930) ebenso nach München gelangten, wie ein seltener, auf das Jahr 1859 datierter Steuererlass der Regierung in Lhasa (Cod.tibet. 24).
Steuererlass der Regierung in Lhasa  (Cod.tibet. 24)

Tibetische Buchdeckel

Eine Besonderheit der tibetischen Sammlung bildet der seit den 1970er Jahren zusammengetragene Bestand an überwiegend hölzernen Buchdeckeln tibetischer Provenienz, der mit mehr als 100 Objekten (z. B. Cod.tibet. 1005) zu den größten außerhalb Tibets zählt und zwischen 2014 und 2017 Gegenstand eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes ist.
Tibetischer Buchdeckel in 3D-Ansicht auf bavarikon  (Cod.tibet. 1005)
Von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Projekt

Ausgaben des buddhistischen Kanons in tibetischer Übersetzung

Einen besonderen Sammlungsschwerpunkt stellen die diversen Ausgaben des buddhistischen Kanons in tibetischer Übersetzung (Kanjur und Tenjur) dar, die im Rahmen einer Ausstellung im Jahre 2005 der Öffentlichkeit präsentiert werden konnten. Diesbezüglich ist die Bibliothek hervorragend ausgestattet und hält Exemplare der folgenden Editionen als Originalabzüge, photomechanische Nachdrucke, Mikrofiches, CD-ROMs oder moderne Neuausgaben für die Benutzung vor.

Ausgaben des buddhistischen Kanons in tibetischer Übersetzung

Kanjur:

Tenjur:

Ausgaben des tibetischen Bön-Kanons

Neben dem buddhistischen Kanon sind außerdem Ausgaben der beiden Teile des tibetischen Bön-Kanons vorhanden.
Theg chen g.yuṅ druṅ bon gyi bka' 'gyur  (2 L.tibet. 2001.2)
Bka' rten  (2 L.tibet. 2000.68)

Erwerbungen von seltenen Handschriften und Drucken bis in die Gegenwart

Die tibetische Sammlung wird auch im Hinblick auf seltene Handschriften und Drucke bis in die Gegenwart erweitert. So konnte der Bestand über Ankäufe auf dem Antiquariatsmarkt in 2005 um sehr seltene tibetische Musiknotenhandschriften und in 2006 und 2007 um zwei Konvolute tibetischer Handschriften mongolischer Provenienz bereichert werden.

Literatur

Büchler, Anne; Schumacher, Rolf: Die Nachlässe von Martius, Liebig und den Brüdern Schlagintweit in der Bayerischen Staatsbibliothek. Wiesbaden: Harrassowitz, 1990. Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis. 10.2.

Grönbold, Günter: Grünwedels Nāropa-Handschrift. In: Central Asiatic Journal 18 (1974), S. 251-252.

Grönbold, Günter: Die orientalischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek. In: Bibliotheksforum Bayern 9 (1981), S. 68-84.

Grönbold, Günter: Knochen, Stein und Elfenbein: ungewöhnliche Textträger in Bibliotheken. In: Bibliotheksforum Bayern 14 (1986), S. 122-136.

Rebhan, Helga: Tibetische Handschriften aus der Mongolei: eine hochpreisige Erwerbung der Bayerischen Staatsbibliothek. In: Bibliotheksmagazin (2007) 2, S. 24-28.

Rebhan, Helga: Ausstellungen orientalischer und asiatischer Bestände der Bayerischen Staatsbibliothek. In: Griebel, Rolf; Ceynowa, Klaus (Hrsg.): Information, Innovation, Inspiration: 450 Jahre Bayerische Staatsbibliothek. München: Saur, 2008. S. 639-665.

Rebhan, Helga: Asian Manuscripts in the Bavarian State Library, Munich. In: IIAS Newsletter 46 (2008), S. 38.

Rebhan, Helga: Liebe, Götter und Dämonen: wertvolle asiatische Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek. In: Bibliotheksforum Bayern 1 (2008), S. 23-27.

Helga Rebhan: Hoher Besuch vom Dach der Welt. In: Bibliotheksmagazin (2008) 1, S. 33-34.

Rebhan, Helga: Ausstellungen orientalischer und asiatischer Bestände der Bayerischen Staatsbibliothek. In: Griebel, Rolf; Ceynowa, Klaus (Hrsg.): Information, Innovation, Inspiration: 450 Jahre Bayerische Staatsbibliothek. München: Saur, 2008. S. 639-665.

Rebhan, Helga: Seine Heiligkeit Drikung Kyabyön Chetsang Rinpoche in der BSB. In: Bibliotheksmagazin (2009) 2, S. 53-57.

Rebhan, Helga: Orientalische und asiatische Handschriften und seltene Drucke der Bayerischen Staatsbibliothek. In: Ceynowa, Klaus; Hermann, Martin (Hrsg.): Bibliotheken: Innovation aus Tradition: Rolf Griebel zum 65. Geburtstag. Berlin: De Gruyter Saur, 2014. S. 322-333. Verfügbar unter: http://dx.doi.org/10.1515/9783110310511 [Zugriff am 21.03.2016].

Ausstellungen

Dachs, Karl (Hrsg.): Erwerbungen aus drei Jahrzehnten: 1948 – 1978: Bayerische Staatsbibliothek: abendländische und orientalische Handschriften, Inkunabeln und seltene Drucke, Noten und Landkarten: Ausstellung April – Juli 1978. Wiesbaden: Reichert, 1978.

Dachs, Karl (Hrsg.): Das Buch im Orient: Handschriften und kostbare Drucke aus zwei Jahrtausenden: Ausstellung, 16. November 1982 – 5. Februar 1983. Wiesbaden: Reichert, 1982.

Dachs, Karl (Hrsg.): Thesaurus librorum: 425 Jahre Bayerische Staatsbibliothek: Ausstellung München 18. August – 1. Oktober 1983 = 425 years Bavarian State Library: exhibition. Wiesbaden: Reichert, 1983.

Grönbold, Günter: Tibetica in der Bayerischen Staatsbibliothek: Ausstellung anläßlich des 4. Seminars der International Association for Tibetan Studies vom 21. bis 27. Juli 1985 in Schloß Hohenkammer. München: Bayerische Staatsbibliothek, 1985.

Grönbold, Günter: Tibetische Buchdeckel: Ausstellung 8. April bis 1. Juni 1991. München: Bayerische Staatsbibliothek, 1991.

Noichl, Elisabeth (Hrsg.): Schrift-Stücke: Informationsträger aus fünf Jahrtausenden: eine Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek und des Bayerischen Hauptstaatsarchivs: München, 19. Juli – 20. September 2000. München: Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns; Bayerische Staatsbibliothek, 2000.

Grönbold, Günter: Die Worte des Buddha in den Sprachen der Welt = The words of the Buddha in the languages of the world: Tipitaka – Tripitaka – Dazangjing – Kanjur: eine Ausstellung aus dem Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek, München, 27. Januar – 20. März 2005. Mit einem Beitrag von Renate Stephan. München: Bayerische Staatsbibliothek, 2005.

Rebhan, Helga (Hrsg.): Liebe, Götter und Dämonen: wertvolle asiatische Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek: Ausstellung 2. – 27. Januar 2008. München: Bayerische Staatsbibliothek, 2007.

Top