Neben umfangreichen Beständen an lateinischen und volkssprachigen Handschriften, die im deutschen und italienischen Kulturraum mit Buchmalerei ausgestattet wurden, verwahrt die Bayerische Staatsbibliothek auch einen im Vergleich zu anderen deutschen Institutionen herausragenden Bestand mittelalterlicher Handschriften mit Buchmalerei französischer Provenienz. Einschließlich der Handschriften aus den – wegen der Mobilität der Künstler und Codices nicht immer abgrenzbaren – Nachbarregionen (Spanien, England) umfasst der einschlägige Münchner Bestand insgesamt 437 Codices. Neben dem bedeutenden und bekannten Goldenen Münchner Psalter (Clm 835) aus Oxford aus dem 1. Drittel des 13. Jahrhunderts umfasst der Fonds zum Beispiel auch 35 aus den verschiedenen bayerischen Klöstern in den Besitz der Bayerischen Staatsbibliothek gelangten französischen Bibeln des 13. Jahrhunderts, die aufgrund ihres kleinen Formats auch als Taschenbibeln bezeichnet werden.
In der ersten Projektphase wurden davon 293 Codices bearbeitet. Dabei handelt es sich um Handschriften, die zwischen dem späten 10. und dem Ende des 14. Jahrhunderts in Frankreich entstanden sind, sowie alle englischen und spanischen illuminierten Handschriften.
Im nun beantragten zweiten und letzten Teilprojekt sollen in einer abschließenden Phase von drei Jahren die verbleibenden 144 Handschriften des 15. und frühen 16. Jahrhunderts französischer Provenienz sowie illuminierte Handschriften benachbarter Regionen (Belgien, Niederlande) in gleicher Weise nach den entsprechenden DFG-Richtlinien von der erfahrenen Bearbeiterin, Dr. Ulrike Bauer-Eberhardt, erschlossen werden. Es ist vorgesehen, die Ergebnisse in einer Printpublikation und im Internet im Rahmen von Open Access zugänglich zu machen.
Mit Buchmalerei ausgestattete Handschriften stellen für die Kunstgeschichte ein zentrales Quellencorpus dar, da sie in erheblich größerer Zahl erhalten geblieben sind als andere zweidimensionale künstlerische Objekte des Mittelalters wie zum Beispiel Fresken oder Tafelgemälde. Illuminierte Codices sind aber auch für andere mediävistische Disziplinen, angefangen von der Geschichtswissenschaft, der Theologie und den Philologien bis hin zu Fachrichtungen wie der Medizin- und Rechtsgeschichte von hoher Relevanz, denn sie ermöglichen über die reine Funktion als Vermittler textlicher und visueller Informationen hinaus vielfältige Erkenntnisse über Rezeptionsinteressen, Ausstattungsniveaus und Text-Bild-Zusammenhänge. Die vertiefte Beschreibung illuminierter Handschriften, zum einen in Bezug auf ihre kunsthistorische Einordnung aufgrund entstehungs- und stilgeschichtlicher Merkmale und zum anderen in Bezug auf ihre inhaltlichen und ikonographischen Bedeutungsebenen, hat sich daher als Verfahren der systematischen Quellenerschließung bewährt und stellt eine solide Grundlage für die weitere wissenschaftliche Auswertung – auch über den spezialisierten Kreis der Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker hinaus – zur Verfügung.