Ludwig Bernheimer
Am 16. Dezember 1938 verließ ein Schreiben an die Geheime Staatspolizei die Bayerische Staatsbibliothek. Die Erwerbungsabteilung bestätigte darin „den Empfang von 7 Bänden der Veröffentlichung: ‚The Spanish Series (London. John Lane)‘ aus dem Besitz von Ludwig Bernheimer.“ Die Gestapo hatte die Bücher rund vier Wochen zuvor aus der Privatwohnung von Dr. Ludwig Bernheimer (1906 – 1967) in der Pienzenauerstraße in München-Bogenhausen geraubt. Der Jurist, der 1928 mit einer Arbeit über „Die Rechtsverhältnisse der an einer Kunstversteigerung beteiligten Personen“ an der Universität Erlangen promoviert worden war, führte gemeinsam mit seinem Vater Otto, seinem Onkel Ernst und seinem Cousin Paul die renommierte Kunst- und Antiquitätenfirma L. Bernheimer.
Zwischen November 1938 und Februar 1939 beraubte die Gestapo 68 jüdische Familien in München ihrer Kunstgegenstände und Wertobjekte. Unter ihnen befand sich auch die Kunsthändlerdynastie Bernheimer. Der Raubzug folgte unmittelbar auf den Novemberpogrom, zu dessen Opfern die Familie Bernheimer ebenfalls zählt: In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 war es nicht nur zu mutwilligen Zerstörungen am Geschäftssitz, dem Bernheimer-Palais am Lenbachplatz, gekommen, sondern Mitglieder der Hitlerjugend hatten außerdem die Brüder Kurt und Ludwig Bernheimer sowie deren Cousin Paul bedroht. Wenig später folgte die Verhaftung von Kurt, Ludwig, Otto und Paul Bernheimer, die bis zu mehreren Wochen im Konzentrationslager Dachau festgehalten wurden.
Ludwig Bernheimer emigrierte 1939 wie sein Vater Otto und sein Bruder Kurt nach Venezuela. Seinem Onkel Ernst und seinem Cousin Paul gelang es ebenfalls, sich im Ausland in Sicherheit zu bringen. Die Familie wurde in Deutschland weiter enteignet. Auf ihr Unternehmen hatte sie seit der Pogromnacht jeden Einfluss verloren. Erst über zwanzig Jahre später kehrte Ludwig Bernheimer dauerhaft nach Deutschland zurück. Er übernahm nach dem Tod seines Vaters am 5. Juli 1960 die Leitung der Kunst- und Antiquitätenfirma L. Bernheimer, die der Familie im Oktober 1948 rückerstattet worden war.
Ebenfalls 1948 informierte die Bayerische Staatsbibliothek die Zentralmeldestelle in Bad Nauheim, dass ihr die Geheime Staatspolizei während der NS-Zeit sieben Bände überlassen habe, die zuvor bei der Familie Bernheimer konfisziert worden seien. Allerdings erinnerten sich die damaligen Mitarbeiter nicht mehr daran, um welche Titel es sich gehandelt hatte. Weitere Hinweise auf die Bücher fanden sich in den Akten der Bayerischen Staatsbibliothek nicht. In den Bänden selbst befindet sich zwar der Eintrag „G.n. 14428“, der die Gestapo als Schenker ausweist, Ludwig Bernheimer aber hat in ihnen keine Spuren hinterlassen, die auf ihn als Vorbesitzer hinweisen. Einzig die Empfangsbestätigung vom Dezember 1938, die sich in einer erst 2007 wiederentdeckten Akte des Münchner Stadtmuseums befindet, enthält alle notwendigen Informationen: Sie ermöglichte es, die Titel 75 Jahre nach ihrem Raub endlich im Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek zu identifizieren.
Am 18. März 2014 übergab Generaldirektor Dr. Rolf Griebel die sieben Bücher an Dr. Francisca Bernheimer, die Tochter von Dr. Ludwig Bernheimer. Sie sind Teil einer 23-bändigen Reihe über Spanien, die der Australier Albert F. Calvert (1872 – 1946) Anfang des 20. Jahrhunderts herausbrachte. Der Verlag bewarb die „Spanish Series“ bei ihrem Erscheinen unter anderem damit, dass sie insgesamt über 6 000 Illustrationen enthalte. Die Bayerische Staatsbibliothek besaß ausschließlich die sieben Bände, die die Gestapo bei Ludwig Bernheimer gestohlen hatte.
Die restituierten Titel werden im Online-Katalog der Bayerischen Staatsbibliothek weiter angezeigt. Sie sind mit einer Bemerkung zu ihrer Provenienz sowie zu ihrer Restitution versehen worden, die unter der Rubrik „mehr zum Titel“ angezeigt wird. Sie können mit der Eingabe „BSB-Provenienz: Dr. Ludwig Bernheimer“ über die „Einfache Suche“ im OPACplus/BSB-Katalog recherchiert werden.
BSB-Provenienz: Dr. Ludwig Bernheimer (Anzeige im OPACplus/BSB-Katalog)