Gabriele Rosenthal
Zwischen November 1938 und Februar 1939 beschlagnahmte die Gestapo München den Kunstbesitz von 69 Jüdinnen und Juden. Zu den Opfern gehörte Gabriele Rosenthal (1887 – 1942), deren Wohnung in der Leopoldstraße 24 am 24. November 1938 durchsucht wurde. Die Kaufmannswitwe wurde unter anderem ihrer wertvollen Bibliothek beraubt.
130 Bücher übernahm die Bayerische Staatsbibliothek, was die Erwerbungsabteilung der Gestapo am 8. Februar 1939 schriftlich bestätigte. Die damaligen Mitarbeiter wussten nicht nur, dass die Bücher beschlagnahmt worden waren, sondern auch, aus wessen Besitz sie stammten. Wie sich im Rahmen der NS-Raubgutforschung an der Bayerischen Staatsbibliothek herausstellte, handelte es sich bei den Bänden aus der Bibliothek von Gabriele Rosenthal durchweg um bibliophile Kostbarkeiten mit zahlreichen wertvollen Einzelausgaben.
Gabriele Rosenthal sah aus Rücksicht auf ihren erkrankten Sohn von einer Emigration ab. 1942 wurde sie in das Ghetto Piaski deportiert und ermordet. Im selben Jahr wurde ihr Sohn im Vernichtungslager Sobibor getötet.
Wie es das Rückerstattungsgesetz der amerikanischen Militärregierung vorschrieb, setzte die Bayerische Staatsbibliothek im Mai 1948 die Zentralmeldestelle in Bad Nauheim darüber in Kenntnis, dass sie 1939 bei Gabriele Rosenthal beschlagnahmte Bücher in ihren Bestand eingearbeitet habe. Am 23. Januar 1953 restituierte sie 98 Titel, zum Teil in mehreren Einzelbänden an Rosenthals Schwester Henny Siegel.
Seit die Bayerische Staatsbibliothek 2003 begonnen hat, gezielt nach NS-Raubgut in ihren Beständen zu fahnden, wurden zwei weitere Bände aus der Bibliothek von Gabriele Rosenthal entdeckt: eine Erstausgabe von Schillers „Wilhelm Tell“ sowie eine frühe Ausgabe von Maupassants „Mademoiselle Fifi“ mit persönlicher Widmung des Verfassers. Sie konnten mit Hilfe von erhaltenen Karteikarten der Bibliothek Rosenthal aufgefunden werden, die Gabriele Rosenthals Neffe Uri Siegel der Bayerischen Staatsbibliothek überlassen hatte. Stellvertretend für seine Familie nahm Uri Siegel (1922 – 2020) die beiden Bücher am 6. März 2006 von Generaldirektor Rolf Griebel entgegen.