Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund/Gewerkschaftskartell Immenstadt und Umgebung
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) überließ der Bayerischen Staatsbibliothek am 26. Oktober 2020 neun Bücher aus dem Besitz des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB) und des Gewerkschaftskartells Immenstadt und Umgebung als Schenkung.
Bibliothek des Gewerkschaftskartells Immenstadt und Umgebung
Einer der neun restituierten Titel stammt aus der Bibliothek des Gewerkschaftskartells Immenstadt und Umgebung. Die örtlichen Gewerkschaftskartelle wurden auch „Streikkontrollkommissionen” genannt. Sie organisierten ab 1889 die Zusammenarbeit zwischen den Zentralverbänden und wurden aus Gewerkschaftsbeiträgen finanziert. Ursprünglich bildeten sie sich zur Regulierung der Streiks unter den Verbänden. Das Kartell Immenstadt und Umgebung stand dem sozialdemokratischen Verein nahe. 1933 wurde zunächst die kommunistische Literatur auf Anordnung der Nationalsozialisten zur Nutzung gesperrt, später die Bestände der Bibliothek ausgesondert und beschlagnahmt.
Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund
Die anderen acht an den Deutschen Gewerkschaftsbund restituierten Bücher stammen aus Bibliotheken verschiedener Ortsausschüsse des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds. Drei Titel waren einst Bestandteil der Zentralbibliothek des Gewerkschaftsvereins im Ortsausschuss München. Aus der Bibliothek des Ortsausschusses Leipzig stammt ein Band. Ein weiterer Titel gehört der Zentralbibliothek der Gewerkschaften des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds in Hannover.
Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) gründete sich 1919 auf dem Gewerkschaftskongress in Nürnberg. Dort wurde die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands in den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund umgewandelt. Die Gewerkschaftskartelle, wie das Gewerkschaftskartell Immenstadt und Umgebung, bildeten sich Ende des 19. Jahrhunderts. Mit der Zerschlagung der Gewerkschaftseinrichtungen am 2. Mai 1933 durch die Nationalsozialisten wurde ihr Vermögen beschlagnahmt. In der Folge wurden ihre Bibliotheken an verschiedene NS-Institutionen verteilt, darunter die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) und die Deutsche Arbeitsfront (DAF).
Die acht Bände des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds gelangten durch Zuweisung von Bibliotheksgut durch die Alliierten nach 1945 an die Bayerische Staatsbibliothek. Der Band des Gewerkschaftskartells Immenstadt und Umgebung kam durch eine „Schenkung” des Nationalsozialisten Friedrich Josef Maria Rehse (1870 – 1952) zwischen 1939 und 1942 an die Bayerische Staatsbibliothek.
Bibliothek Sassenbach im Ortsausschuss Berlin des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds
Drei Titel stammen aus der Bibliothek Sassenbach im Ortsausschuss Berlin des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds und waren ursprünglich Teil der Privatbibliothek von Johannes Sassenbach (1866 – 1940). Der Verleger, Publizist und Gewerkschaftsfunktionär besaß eine umfangreiche Privatbibliothek, die er 1923 dem Berliner Ortsausschuss des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB) als Studienbibliothek zur Verfügung stellte. Während ein Buch als Besitzvermerk einen Stempel trägt, weisen sich zwei Exemplare durch ein Exlibris als privater Sassenbach-Besitz aus. Nur einer dieser Titel hat zusätzlich ein Exlibris der Bibliothek Sassenbach im Berliner Ortsausschuss des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds. Es ist allerdings davon auszugehen, dass alle drei Titel Teil des Bestands dieser Gewerkschaftsbibliothek waren.
Johannes Sassenbach genoss den Ruf, eine der umfangreichsten und strukturiertesten Privatbibliotheken der damaligen Reichshauptstadt zu besitzen. Die Bibliothek umfasste belletristische und politische Bände und hatte einen besonderen Schwerpunkt mit Gewerkschaftsliteratur.
Als Sassenbach Berlin 1923 verließ, um als neu gewählter Sekretär des Internationalen Gewerkschaftsbunds in Amsterdam zu wirken, übergab er seine Möbel, seine Bibliothek und Verlagsartikel dem Ortsausschuss der Berliner Gewerkschaften. Diese Übergabe der Bibliothek in Verwahrung erfolgte also nicht erst 1927, wie bisher angenommen. Als Arbeiterbibliothek leistete sie einen bedeutsamen Beitrag zur allgemeinen gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. 1931 hatte der Berliner Ortsausschuss des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds die Bibliothek Sassenbach für einen symbolischen Betrag erworben. Finanzielle, personelle und räumliche Engpässe bis Anfang 1933 verzögerten aber die Arbeiten zur vollständigen Erschließung der Sassenbach-Bibliothek, ebenso ihre Einarbeitung in den Bestand. Deswegen tragen wohl zwei der drei Titel kein Exlibris des Ortsausschusses Berlin.
Das gesamte Vermögen des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds wurde am 2. Mai 1933 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. Das Berliner Gewerkschaftsgebäude enthielt fortan das „Parteiarchiv der NSDAP und DAF”. Auch die Sassenbach-Bibliothek wurde dort verwahrt, bis sie ab Ende 1934 mit der Verlegung der Dienststelle des nun sogenannten „Hauptarchivs der NSDAP” nach München gelangte.