Geca Kon (1873 – 1941) zählte in der Zwischenkriegszeit zu den bedeutendsten Verlagsbuchhändlern Südosteuropas. Geboren 1873 in Österreich-Ungarn, lebte er ab 1901 als selbständiger Buchhändler in Belgrad. 1905 unternahm er erste verlegerische Aktivitäten, rasch entwickelte sich sein Verlag zu einem der bedeutendsten auf dem Balkan. 1934 wurde der Verlag in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Kurz nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Serbien 1941 wurde Geca Kon mit seiner ganzen Familie ermordet und der Verlag 1942 von den deutschen Besatzungsmächten aufgelöst.
Anfang 1943 verantwortete Hermann Gerstner, Leiter der Belgrader Hauptheeresbücherei und im Zivilberuf Bibliothekar an der Bayerischen Staatsbibliothek, den Abtransport der beschlagnahmten Bestände des Verlags. Anhand von Listen, die die Bücherlieferungen an die Bayerische Staatsbibliothek begleiteten, lässt sich feststellen, dass knapp 600 Bände in München eintrafen.
In aufwendiger und jahrelanger Recherche konnten Experten der Bayerischen Staatsbibliothek die noch vorhandenen 203 Titel ermitteln, darunter Übersetzungen der Werke von Karl Marx und Sigmund Freud. Die restlichen Bücher sind vermutlich den Bombenangriffen auf die Staatsbibliothek zum Opfer gefallen. Nachdem Nachfahren Geca Kons auch durch Kooperationen mit Organisationen wie der Jewish Claims Conference nicht gefunden werden konnten, fiel der Entschluss, den Bestand an die Serbische Nationalbibliothek zu übergeben. An einem symbolträchtigen Datum: Einen Tag, nachdem die deutsche Wehrmacht vor 75 Jahren das Königreich Jugoslawien ohne Kriegserklärung angriff und die Serbische Nationalbibliothek bei einem Luftangriff völlig zerstört wurde und ihrer Bestände nahezu vollständig verlor.
„Die Bayerische Staatsbibliothek möchte sich mit der Suche und öffentlichen Rückgabe von geraubten Büchern und Handschriften der Verantwortung für ihre Verstrickung in NS-Unrecht stellen. Wir betrachten dies als Teil der Erinnerungskultur, durch die Opfer des Nationalsozialismus wie Geca Kon vor dem Vergessen bewahrt und die Nachgeborenen an das Unrecht und die Gewalt gemahnt werden, die jene erleiden mussten“, erklärt Dr. Klaus Ceynowa, Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek.
Zur Restitution an der Bayerischen Staatsbibliothek:
Seit 2003 sucht die Bayerische Staatsbibliothek aktiv und zunächst in Eigeninitiative nach NS-Raubgut in ihren Beständen. Bereits 2006 nahm Uri Siegel, stellvertretend für seine Familie zwei Bücher aus dem Besitz seiner Tante Gabriele Rosenthal entgegen. 2007 erhielt das Thomas-Mann-Archiv-Zürich 78 Bände aus der Arbeitsbibliothek des Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers. Die Förderung durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste trägt seit 2013 dazu bei, die Recherche voranzutreiben und Rückgaben zügig durchzuführen: 2014 restituierte die Bayerische Staatsbibliothek Bücher aus dem Besitz des renommierten Kunsthändlers Dr. Ludwig Bernheimer (1906 – 1967) an dessen Tochter Dr. Francisca Bernheimer, 2015 gab sie das Plocker Pontifikale, das älteste polnische Pontifikale, an die katholische Kirche in Polen zurück.
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