Ukrainische Kulturgeschichte im Krieg
Die Ukraine gehört zu den traditionellen Sammelschwerpunkten der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB). Sie ist Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Fachinformationsdienstes Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa (FID-Ost).
Seit der Invasion der Ukraine durch die Russische Föderation am 24. Februar 2022 richtet die BSB einen besonderen Fokus auf das Land, indem sie vielfältige Informationen für Wissenschaft und Öffentlichkeit bereithält, digitale Materialien vor dem Verlust bewahrt und ukrainische Kulturinstitutionen gezielt unterstützt. Einen Einblick in die Tätigkeit geben folgende Angebote:
1. Informationsvermittlung
Die Bayerische Staatsbibliothek rückt Medien zur reichen Kulturgeschichte der Ukraine in den Fokus und informiert gezielt über die Arbeit ukrainischer Kulturinstitutionen sowie über die Zerstörung ukrainischen Kulturguts, sei es auf den sozialen Medien, sei es durch Veröffentlichungen. Russischen Narrativen, die eine eigenständige ukrainische Kultur negieren, wird so mit Fakten entgegengetreten. Zu lesen ist dies auf den verschiedensten Informationskanälen des FID-Ost:
2. Bereitstellung von wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Quellenmaterialien
Die Wahrnehmung von Forschung hängt bekanntlich stark mit der Verfügbarkeit ihrer Ergebnisse zusammen, wozu heutzutage auch immer mehr die digitale Präsenz gehört. Das gilt ganz besonders für Nischenbereiche, wie sie die Ukraine-Forschung bislang in den deutschen Geistes- und Sozialwissenschaften darstellte. Während die Informationsversorgung mit gedruckten Medien sowie die Lizenzierung digitaler Materialien traditionell sehr intensiv betrieben wird – die Bibliothek erwirbt jährlich ca. 3 000 Monografien aus und über die Ukraine –, liegt seit 2022 ein neuer Schwerpunkt auf der Open-Access-Bereitstellung einschlägiger Materialien. Zu diesem Zweck digitalisiert die BSB gezielt Ukrainica aus den eigenen Beständen und nimmt zudem Open-Access-Publikationen aus der Ukraine in ihr eigenes Osteuropa-Repositorium (www.ostdok.de) auf. Auf diesem Wege werden die Publikationen zum einen vor Kriegszerstörungen gesichert, zum anderen sind diese Titel für die Forschung in Deutschland und weltweit über das gut genutzte Forschungsportal osmikon (www.osmikon.de) leicht auffindbar und kostenfrei zugänglich.
- Service „Neue Bücher und mehr zum östlichen Europa”
mit der Möglichkeit, sich regelmäßig per E-Mail über Neuerwerbungen zur Ukraine informieren zu lassen - Retrodigitalisate und freie E-Books zur Ukraine
(Systematische Suche > Region > Ukraine auswählen) - Verzeichnis mit Mikroformen ukrainischer Archivdokumente an der BSB
3. Archivierung von Websites und Memes
Da zu den Kriegszielen Russlands die Zerstörung ukrainischen Kulturguts gehört, arbeitet die BSB daran, dessen digitale Formen und Repräsentationen zu sichern. Sie beteiligt sich seit März 2022 aktiv an der internationalen Freiwilligeninitiative Saving Ukrainian Cultural Heritage Online (SUCHO) zur Archivierung von Websites ukrainischer Kulturinstitutionen. Insgesamt wurden dort mehr als 5 000 Websites gesichert, dies entspricht etwa 50 Terabyte an Daten. Eine besondere Kollektion in SUCHO bilden die laufend entstehenden Memes zum Krieg – mehr als 3 000 dieser humoristischen Werke sind bislang archiviert und mit Metadaten beschrieben. Erste Forschungsarbeiten dazu sind bereits entstanden.
Gemeinsam mit der Bibliothek der University of California, Berkeley arbeitet die BSB darüber hinaus an einem Webarchiv, das weltweit Reaktionen auf den Ukrainekrieg zu dokumentieren sucht (War in Ukraine: 2022) und betreut dort insbesondere die europäische Kollektion.
4. Forschungsdaten
Seit August 2022 beteiligt sich die BSB an einem Oral-History-Projekt der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Center for Urban History L‘viv zur Dokumentation des Krieges logistisch und operativ. Dazu gehören die Durchführung von Interviews mit ukrainischen Geflüchteten, die Bereitstellung von Speicherkapazitäten und Räumlichkeiten, sowie die Beratung zum Forschungsdatenmanagement. Die Daten werden nach Beendigung des Projekts – sofern von den Informantinnen und Informanten gewünscht – im Forschungsdatenrepositorium OstData (www.ostdata.de) veröffentlicht.
5. Literaturhinweis
Bode, Tina; Hamann, Olaf; Preuss, Stephanie; Wirtz, Gudrun: Die Bibliotheken und der Krieg in der Ukraine. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 69 (2022), 6 S. 303-311.
Bildnachweis Headerbild:
Flagge der Ukraine | © Negro Elkha – Adobe Stock 247180421