* Stellare Projektionen: für Menschen sind Sterne oft mehr nur als leuchtende Punkte am Firmament
Unser Motiv aus einem lateinischen Codex aus Prag zeigt das Sternbild „Drache” (lateinisch „Draco”). Dieses Sternbild liegt am nördlichen Sternenhimmel, es umspannt ihn weiträumig. Der „Drache” windet sich dabei schlangenartig um das Sternbild „Kleiner Bär” herum und grenzt an insgesamt acht weitere Sternbilder. Das Sternbild „Drache” enthält 17 verschiedene, heute von der International Astronomical Union, IAU, offiziell benannte Sterne. Unser Bild von 1400 zeigt über 30 Sterne, die dem „Draco” damals offenbar zugewiesen wurden.
Sternbild aus einem astronomisch-astrologischen Codex des böhmischen Königs Wenzel IV. Prag, 1400.
Bayerische Staatsbibliothek, Signatur: Clm 826
Das Bild kostenfrei digital anschauen, können Sie in den Digitalen Sammlungen.
Der „Drache” als Ex-Polarstern
Als sogenanntes „zirkumpolares Sternbild” – also ein Sternbild, das sich in der Nähe eines der beiden Himmelspole befindet – verschwindet „Draco” auf der nördlichen Hemisphäre im Laufe des Jahres nicht. Er geht also „nicht unter”, sondern ist in Mitteleuropa stets am Himmel zu sehen – mal höher, mal niedriger am Horizont. Einer seiner helleren Sterne ist der „Thuban”: Dieser diente z. B. den alten Ägyptern als Polarstern, da er gegen 2800 v. Chr. noch nahe am Himmelsnordpol stand. Heute ist er aufgrund der Präzessionsbewegung („Taumelbewegung”) der Erde etwa 25° vom Nordpol entfernt und daher als Polarstern untauglich geworden. Der Zyklus der Taumelbewegung der Erde dauert etwa 25 800 Jahre (Stichwort: „Platonisches Jahr”). Daher übernehmen im Laufe der Zeit immer wieder andere Sterne die Funktion des Polarsterns, bis der Zyklus von neuem beginnt.
Christen und Astronomie
Die Christen der Spätantike hielten die Astronomie für ein heidnisches Überbleibsel und man verlor zwischenzeitlich das Interesse daran. Arabische Wissenschaftler erstellten im 9. Jahrhundert n. Chr. arabische Übersetzungen vom Grundlagenwerk für die Astronomie „Megiste Syntaxis” (ursprünglich: μαθηματική σύνταξις) des Griechen Claudius Ptolemäus (2. Jh. n. Chr.). Mit den Übersetzungen dieses Werks, auch als „Almagest” bekannt, retteten arabische Wissenschaftler das antike astronomische Wissen für die Nachwelt. Im 12. Jahrhundert gelangten lateinische Übersetzungen des Almagests nach Europa, wo das Thema Astronomie daraufhin wieder aufgegriffen wurde – und auch das Interesse König Wenzels IV. weckte, für den diese Prachthandschrift geschrieben, gemalt und gebunden wurde.
König Wenzel IV. – ein fauler, misanthroper Bücherfreund?
Das Leben und Wirken König Wenzels IV., der Besitzer unseres astronomisch-astrologischen Codex gewesen sein soll, werden gemeinhin eher schlecht beurteilt. Einige Wissenschaftler führen seinen schlechten Ruf auf das Wirken späterer Chronisten zurück: So gibt es mittelalterliche posthume Quellen, die Wenzel als Paranoiker und Tyrannen beschreiben, der seine Jagdhunde auf Menschen gehetzt haben soll. Mit eben diesen Hunden soll sich Wenzel die meiste Zeit seiner Regierung in einem Zimmer eingeschlossen haben. Wenzel soll auch den später heiliggesprochenen Johannes Nepomuk in der Moldau ertränken lassen haben, angeblich, weil ihm der Priester die Beichtgeheimnisse seiner – so die Geschichte – untreuen Frau nicht hatte preisgeben wollen. Heutige Forschungen lassen vermuten, dass es vielleicht eher um politische Differenzen zwischen Wenzel und dem Prager Erzbischof ging, dessen Generalvikar Nepomuk gewesen war.
Recht sicher belegt scheint ein Skandal von 1398 zu sein. Da nahm König Wenzel nicht am Festmahl des französischen Königs Karl Vl. in Reims teil, weil er zu betrunken gewesen sein soll. Nach Václav Hájek z Libocan soll er die Nachricht von seiner Absetzung als römisch-deutscher König mit den Worten kommentiert haben, er sei froh, von dieser Last entbunden zu sein.
(vergleiche seinen Beinamen „der Faule”)
Gleichzeitig galt er als Mäzen, Inhaber einer Bibliothek und als Financier einer Gruppe von berühmten Künstlern, die Bücher schrieben und malten: die Mitglieder der sogenannten „Wenzelswerkstatt”, die auch die berühmte „Wenzelsbibel”, ebenfalls eine Prachthandschrift wie unsere, schufen.
Biographie König Wenzels IV. (1361 – 1419)
Ein Zeitungsartikel mit dem Titel:
„Wenzel, Deutschlands schlechtester König”