In den Jahren 1937/38 übernahm die Bayerische Staatsbibliothek über 450 Titel freimaurerischer Literatur im Tausch mit der SS-Schule Haus Wewelsburg. Die Transaktion beinhaltete den Tausch von BSB-Dubletten gegen Bücher aus Bibliotheken von Freimaurerlogen, die zwischen 1933 und 1936 beschlagnahmt worden waren. Bei ihnen handelt es sich zweifellos um NS-Raubgut.
201 dieser Bücher weisen außer einer „Tausch-/Schenkernummer” keine weiteren Provenienzmerkmale auf. Trotz umfänglicher Recherchen blieb die Suche nach früheren Logen oder heutigen Rechtsnachfolgern ergebnislos. In diesen Fällen fungiert das Deutsche Freimaurermuseum als Sammelpunkt von Buchbeständen der 1933 enteigneten Logen. Zwei weitere Werke stammen aus dem ehemaligen Besitz der Großloge zur Sonne in Bayreuth. Nach der erzwungenen Auflösung 1933 wurde die Loge 1948 als „Großloge zur Sonne für Bayern” reaktiviert. Im Jahr 1949 ging sie in der heutigen Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland auf. Das Deutsche Freimaurermuseum fungiert indirekt auch als Rechtsnachfolger der Großloge zur Sonne.
Nachdem es sich um eindeutig NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut im Sinne der Gemeinsamen Erklärung des Bundes, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz, von Dezember 1999 handelt, möchte die Bayerische Staatsbibliothek – in dem Bestreben, eine faire und gerechte Lösung im Sinne der Grundsätze der Washingtoner Konferenz vom 03. Dezember 1998 herbeizuführen, und als Akt des guten Willens – die 203 Werke dem Empfänger überlassen.
Dr. Klaus Ceynowa, Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek: „Mit dieser weiteren öffentlichen Rückgabe von geraubten Büchern stellt sich die Bibliothek ihrer Verantwortung für ihre Verstrickung in NS-Unrecht. Die Bibliothek wird ihre Bemühungen bei der Provenienzforschung weiter mit Nachdruck vorantreiben. In einem nächsten Schritt sollen nach dem Druckschriftenbestand die nach 1933 erworbenen Handschriften und Musikalien gesichtet und diesbezüglich bewertet werden. Das geschieht mit Unterstützung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste und dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.”
Kunstminister Bernd Sibler betonte: „Provenienzforschung ist eine grundlegende Aufgabe unserer Kultureinrichtungen. Dieser Verpflichtung und Verantwortung stellt sich natürlich auch die Bayerische Staatsbibliothek. Unrecht, das geschehen ist, können wir nicht mehr gut machen. Aber wir können ein sichtbares Zeichen für ein ‚Nie wieder!‛ setzen und wir können unseren entschlossenen Willen, Unrecht der Vergangenheit transparent aufzuarbeiten, durch entsprechendes Handeln bekräftigen. Die Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut ist für mich selbstverständlich.”
Seit 2003 sucht die Bayerische Staatsbibliothek aktiv nach NS-Raubgut in ihren Beständen: So erhielt 2007 das Thomas-Mann-Archiv Zürich 78 Bände aus der Bibliothek des Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers. Die Förderung durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste trägt seit 2013 sehr dazu bei, die Recherchen voranzutreiben und Rückgaben zügig durchzuführen. 2015 konnte beispielsweise das Plocker Pontifikale, das älteste polnische Pontifikale, an die katholische Kirche in Polen zurückgegeben werden. Gemeinsam mit der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns wurden 2017 44 Werke an die Nachkommen des Münchner Orientalisten Prof. Karl Süßheim restituiert.
Weitere Informationen zur NS-Raubgutforschung an der Bayerischen Staatsbibliothek
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