Die Globensegmente wurden 1990 von der im Jahr 2003 verstorbenen Witwe des renommierten, amerikanischen Antiquars H. P. Kraus erworben. Sie sind eingebunden in einen frühen Druck, genauer gesagt in eine Inkunabel von Claudius Ptolemaeus‘ „Cosmographia“, die 1486 erschien und zahlreiche Karten enthält (BSB-Signatur 2 Inc.c.a. 1820 a). H. P. Kraus (gest. 1988) wiederum hatte dieses Buch 1960 auf einer Auktion bei Sotheby‘s London gekauft.
Die Provenienzgeschichte des Buches kann bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Es stammte aus dem Besitz der Familie von Maltzan. Eigentümer davor war der Moskauer Sammler Sergej A. Sobolevskij (1803 – 1870), der es wiederum aus der Sammlung von Graf Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode (1691 – 1771) erworben hatte. Diese Provenienz wurde 2005 erneut überprüft und bestätigt. Entsprechende Vorbesitzervermerke (Exlibris) finden sich auf der Innenseite des Vorderdeckels dieser Inkunabel.
Der Ankauf des Buches durch die Bayerische Staatsbibliothek erfolgte 1990 nach den damals allgemein üblichen Regeln und Prinzipien. Die Echtheit des Druckes wurde zu keiner Zeit und von keiner Seite in Zweifel gezogen. Fachliche Gutachten hoben die Bedeutung des Objekts hervor und ordneten es in den herausragenden Altkartenbestand der Bayerischen Staatsbibliothek ein. Der Kaufpreis für die bedeutende Inkunabel einschließlich des Drucks der Globensegmente betrug 2.000.000 DM. Der Ankauf wurde durch umfangreiche Drittmittel ermöglicht.
Der Verdacht einer Fälschung kam erst durch die heutige Zugänglichkeit von hochauflösenden Digitalisaten im Internet im Zusammenspiel mit dem Bekanntwerden eines weiteren Exemplars beim Auktionshaus Christie‘s in London auf. Das aktuell für eine Versteigerung eingelieferte nunmehr sechste bekannt gewordene Exemplar der Globensegmente (Lot. 97: Schätzpreis 690.000 – 1.000.000 Euro) hat das Auktionshaus im Vorfeld mit dem Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek verglichen. Dabei wurde die detailgenaue Übereinstimmung der Drucke festgestellt, die auf die gleiche Druckvorlage schließen lässt.
Erst nachdem Zweifel an der Echtheit des bei Christie’s eingelieferten Exemplars angemeldet wurden, erfolgte ein Vergleich dieses Exemplars mit demjenigen, das sich im Besitz der University of Minnesota befindet. Dieser Vergleich erhärtete den Fälschungsverdacht für das Christie’s Exemplar, der nun auch für das BSB-Exemplar angemeldet werden musste. Daraufhin unterzog die Bayerische Staatsbibliothek auch ihren Druck einer entsprechenden Prüfung. Die überhaupt erstmals an einem der Globensegmentdrucke durchgeführten materialwissenschaftlichen Untersuchungen des hauseigenen Instituts für Bestandserhaltung und Restaurierung kommen leider zu dem Ergebnis, dass es sich auch hier um eine Fälschung handelt.
Der Einblattdruck der Globensegmente wurde dabei ohne Probennahme untersucht. Das verwendete Papier zeigt die charakteristische Siebstruktur eines historischen Büttenpapiers ohne ein Wasserzeichen, das Hinweise auf eine regionale und zeitliche Einordnung geben könnte. Die Untersuchung fokussierte sich daher auf die Analyse der verwendeten Druckfarbe mittels berührungsfreier spektroskopischer Techniken.
Die Druckfarbe enthält als Hauptbestandteile die Elemente Eisen und Titan. Bei dieser Elementkombination kommen verschiedene mineralische Verbindungen natürlichen oder künstlichen Ursprungs für schwarze Pigmente in Betracht. Wahrscheinlich liegt das mineralische Pigment Eisentitanat vor. Die Verwendung dieses titanhaltigen Pigments für die Druckfarbe deutet auf die Herstellung der Karte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hin. Nach heutigem Kenntnisstand verwendete man zur Zeit von Martin Waldseemüller zu Beginn des 16. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts ausschließlich rußhaltige Druckfarbe. Diese wurde anlässlich der Untersuchungen zur Echtheitsfrage der Karte auch in den Textteilen der Cosmographia nachgewiesen. Ruß als schwarzes Pigment auf Kohlenstoffbasis konnte an der Globensegmentkarte jedoch nicht nachgewiesen werden. Dieses Analyseergebnis schließt aus, dass es sich bei dem Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek um einen Druck aus der Zeit Waldseemüllers handelt, vielmehr liegt eine moderne Kopie vor. Die aktuell in der internationalen Presse bekanntgemachten, rein optisch erkennbaren Merkmale am Druckbild derjenigen Karte, die zur Versteigerung bei Christies’s in London vorbereitet wurde, finden sich auch bei der Karte der Bayerischen Staatsbibliothek. Dies legt nahe, dass beide Karten zur gleichen Zeit und mit dem gleichen Druckverfahren hergestellt worden sind. Vergleichende Analysen würden hierüber weitere Klarheit bringen.
Inwieweit hinsichtlich der Fälschung rechtliche Ansprüche geltend gemacht werden können, wird nun eingehend geprüft.
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